Nichtkommerzieller lokaler Hörfunk
Nichtkommerzieller lokaler Hörfunk (NKL), auch Freies Radio oder Bürgerrundfunk genannt, bezeichnet von Bürgern unabhängig gestaltete Radioprogramme, die von allen Bevölkerungsgruppen produziert werden können. NKL wird neben den Offenen Kanälen gerne als „dritte Säule“ des Dualen Rundfunksystems bezeichnet.
Geschichte
Deutsche freie Radios sehen sich gerne in der Tradition des revolutionären Arbeiterfunks und des Freien Radio Bund Deutschlands (FRBD) in der Weimarer Republik sowie der „Roten Kapelle“ und des Radios „Simon“ im dritten Reich, die allesamt versuchten, durch Piratensendungen das Programm des staatlich kontrollierten Hörfunks zu brechen.
Ideologisch erfolgt der Rückbezug häufig auf Bertold Brechts Radiotheorie, in der Brecht feststellte, dass der Rundfunk nur eine Seite hätte, wo er zwei haben müsste. Das Anliegen, Medien selbst zu gestalten, wurde insbesondere in den 60er und 70er Jahren wieder aufgegriffen, wobei ein Text von Hans Magnus Enzensberger, der in die selbe Kerbe schlug wie Brecht und emanzipatorische Medien forderte, mit offenen Armen aufgenommen wurde.
Aus der Anti-AKW-Bewegung entstand im Dreiländereck Freiburg—Strasburg—Basel der Piratensender Radio Dreyeckland (RDL), der seit 1977 illegal aus Deutschland und manchmal Frankreich sendete. 1981 erarbeitete ein Treffen verschiedener freier Radios die „Freiburger Thesen“, die einen legalen nichtkommerziellen lokalen Hörfunk forderten. Darauf folgte 1982 ein Konzept, das von den Grünen als Vorlage für eine Anfrage im Bundestag diente. RDL eröffnete 1985 in Freiburg ein geduldetes, aber illegales Studio und wurde 1988 als erstes freies Radio lizenziert. 1993 gründete sich der Bundesverband Freie Radios.
In den Neunzigern entstanden in elf Bundesländern freie Radios.
Funktionsweise und Selbstverständnis
Freie Radios sind in der Regel als gemeinnützige Vereine organisiert. Anders als herkömmliche "private" Rundfunkanbieter verfolgen Freie Radios keinerlei kommerzielle Interessen und unterliegen deshalb auch nicht dem branchenüblichen Zwang zur Formatierung des Programms als Verkaufsfläche für Werbespots. Die Finanzierung wird meist über die Förderbeiträge interessierter HörerInnen, Vereinsmitgliedsbeiträge und Fördergelder der Landesmedienanstalten organisiert. Damit ist der Sendebetrieb einerseits nicht von einzelnen zentralen Zuwendungen abhängig, andererseits leiden Freie Radios dadurch aber notorisch unter Geldmangel.
Frieies Radio ist prinzipiell für jedeN zugänglich. Einschränkungen können aufgrund des Alters gemacht werden, bei manchen NKLs ist es aber auch nötig, Vereinsmitglied zu sein und mit prinzipiellen Ansichten des Radios übereinzustimmen. Damit überschreitet das Freie Radio die Ordnung des dualen Rundfunksystems und wird zu etwas anderem als einer Mischform seiner beiden Pole, dem öffentlich-rechtlichen und dem privatwirtschaftlichen Rundfunk: Nicht erst das Produkt, die fertigen Sendungen, sind hier öffentlich, sondern bereits der Produktionsprozess.
Freie Radios im deutschsprachigen Raum
- Schweiz
- Radio X, Basel
- Radio RaBe, Bern
- Radio 3FACH, Luzern
- toxic.fm, St.Gallen
- Radio Stadtfilter, Winterthur (in Vorbereitung)
- Radio LoRa, Zürich
- Österreich
- FREIRAD 105.9, Innsbruck
- Freequenns 100.8, Liezen
- Freies Radio Salzkammergut, Bad Ischl
- Radio FRO, Linz
- Radiofabrik 107,5, Salzburg
- Orange 94.0, Wien
- ProTon, Dornbirn
- Radio Helsinki, Graz
- Baden-Württemberg
- Radio Dreyeckland, Freiburg
- Freies Radio Freudenstadt
- Radio fips, Göppingen
- Querfunk, Karlsruhe
- Radio Wellenbrecher, Konstanz
- Bermudafunk, Mannheim
- Kanal Ratte, Schopfheim
- Radio StHörfunk, Schwäbisch Hall und Crailsheim
- Freies Radio für Stuttgart
- Wüste Welle, Tübingen
- Radio freeFM, Ulm
- Bayern
- Bremen
- Hamburg
- Hessen
- RadaR, Darmstadt
- Freies Radio Kassel
- Radio Unerhört Marburg
- RundFunk Meißner, Werra-Meißner-Kreis
- Radio Quer, Wiesbaden
- Radio X, Frankfurt am Main
- Mecklenburg-Vorpommern
- Niedersachsen
- Ems-Vechte-Welle, Emsland
- Radio Flora, Hannover (1997–2008)
- Radio Ostfriesland
- Sachsen
- Sachsen-Anhalt
- Schleswig-Holstein
- Thüringen